Das Ende der Demokratie
Aufstieg der Nationalsozialisten
Aufwind erhielt die nationalsozialistische Bewegung infolge des „Ruhrkampfs“, der in weiten Kreisen des Deutschen Reichs den Wunsch nach einer gewaltsamen Antwort auf die als Demütigung empfundene Besetzung aufkommen ließ.
Die Aufgabe des passiven Widerstands durch die Reichsregierung ab Ende 1923 wollten die bayerischen Nationalsozialisten nicht hinnehmen und starteten am 9. November 1923, nach dem Vorbild Mussolinis, einen „Marsch auf Berlin“. Der als „Hitler-Putsch“ in die Geschichte eingegangene Versuch, die Reichsregierung zu stürzen und neu zu besetzen, scheiterte jedoch kläglich und wurde nach gerade einmal drei Kilometern von der Bayerischen Landespolizei gestoppt.
Die zweite existenzielle Krise der Weimarer Republik: Die Weltwirtschaftskrise
Bereits seit 1928 hatten sich ausländische Kreditgeber zurückhaltend gezeigt, nachdem die amerikanische Notenbank die Zinsen im Zuge des dortigen Börsen-Booms angehoben hatte. Im Oktober 1929 läutete dann der als „Schwarzer Freitag“ in die Geschichte eingegangene Zusammenbruch der New Yorker Börse das Ende einer Zeitspanne der politischen Stabilität und wirtschaftlichen Prosperität ein. Er führte zu einer Weltwirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes.
Folgenschwere Krisenbewältigung
Der Versuch des deutschen Reichskanzlers Heinrich Brüning, durch eine rigide Austeritäts- und Deflationspolitik die Ausfuhren möglichst stabil zu halten, scheiterte. Denn während sinkende Preise für die Konsumenten vorteilhaft waren, führten die von 1930 bis 1932 durch fünf „Notverordnungen zum Schutz von Wirtschaft und Finanzen“ vorgenommenen Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen sowie die Herabsetzung der Beamtengehälter und Löhne zu einem Nachlassen der Konjunktur, was eine rasante Abwärtsspirale in Gang setzte. Massenentlassungen hatten einen dramatischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen zur Folge. Diese stiegen von knapp 2,9 Mio. im Jahr 1929 auf 3,2 Mio. im Jahr 1930, 4,9 Mio. im Jahr 1931 und gipfelten in 6 Mio. zu Beginn des Jahres 1932. Das erst im Aufbau befindliche soziale Sicherungssystem war dieser Entwicklung nicht gewachsen. Obdachlosigkeit, Hungermärsche, Volksküchen, vor allem aber Wut und Enttäuschung raubten der Bevölkerungen den Glauben in die Demokratie und schufen den Nährboden für Extremisten mit vermeintlich eindeutigen Schuldigen und einfachen Lösungen.
Der gescheiterte Putschversuch von 1923 hatte Hitler davon überzeugt, seine Ziele auf legalem Weg durchsetzen zu wollen. Dies gelang ihm in Zeiten der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen, und bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 wurde die NSDAP zur stärksten Partei im Deutschen Reich. Trotz eines schlechteren Wahlergebnisses bei den Reichstagswahlen im November 1932 ernannte der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg den „böhmischen Gefreiten“ Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. Nach den halbfreien Reichstagswahlen vom 5. März 1933 und dem am 23. März 1933 verabschiedeten „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ („Ermächtigungsgesetz“) endete, wenn auch die Verfassung offiziell nie außer Kraft gesetzt wurde, faktisch die erste Demokratie auf deutschem Boden.
Linke Seite: Wahlplakat der NSDAP, 1932
Kommunistische Propaganda für Reichspräsidentenwahl 1932
Neue Herausforderungen für die ELBIM
Die ELBIM stellte sich diesem Konkurrenz- und Preiskampf durch eine erste Erweiterung ihres Leistungsangebots. Neben dem Großeinkauf und Vertrieb von Mehl, Kohle, Backzutaten sowie weiteren Rohstoffen übernahm sie zudem die Beratung ihrer Mitglieder. Dies war der erste Schritt zu einer „umfassenden ideellen und materiellen Betreuung“, der sie auch heute noch nachgeht: einer durch systematische Information, den Wissensaustausch und eine individuelle, auf die tatsächlichen Bedürfnisse und Herausforderungen des einzelnen Mitglieds ausgerichteten Beratung.
In diesen Jahren der politischen und wirtschaftlichen Umbrüche wurden einige für das Bäckerhandwerk bedeutsame Gesetze bzw. Notverordnungen verabschiedet. Am 17. Juli 1930 wurde vom Deutschen Reichstag das mit einigen Änderungen bis 1981 bestehende „Brotgesetz“ beschlossen. In diesem wurde für „Mischbrot“ ein hoher und exakt festgeschriebener Roggenmehlanteil vorgeschrieben. Nur wenige Tage später wurde auch das Brotgewicht auf 250 Gramm genormt.
Ohne große Feierlichkeiten beging die ELBIM im Januar 1933 ihr 10-jähriges Bestehen. Sie konnte auf erfolgreiche erste Geschäftsjahre zurückblicken: Zwar war der Umsatz nach einem kontinuierlichen Anstieg von 3,2 Mio. Reichsmark im Jahr 1925 auf 4 Mio. Reichsmark im Jahr 1929 wegen der Einschränkung des Geschäfts mit rheinischem Mehl im Zuge der Wirtschaftskrise bis 1933 verhältnismäßig stark auf 2,4 Mio. Reichsmark gesunken, das Eigenkapital stieg jedoch gleichzeitig von 178.000 auf 439.000 Reichsmark. Die Rückvergütung hingegen entwickelte sich schwankend von 45.000 Reichsmark über 70.000 Reichsmark im Jahr 1930 und wiederum 43.900 Reichsmark im Jahr der „nationalsozialistischen Machtergreifung“.
Genossenschaften im nationalsozialismus
Die Genossenschaftsidee im Gegensatz zum Nationalsozialistischen Führerprinzip
"Gleichschaltung": Genossenschaften als Teil der NS-Wirtschaftspolitik
Die Landwirtschaft, vor allem die landwirtschaftliche Produktion, wurde einer stärkeren Kontrolle unterworfen, sollte sie doch in einem künftigen Krieg die Versorgung der Bevölkerung sichern. Gleichzeitig stand die Agrarpolitik im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Ideologie, denn das gesunde Bauerntum galt als wesentlich für den Fortbestand des deutschen Volks und Grundlage für die Eroberungszüge nach Osten. Die ideologische Überhöhung des Bauerntums manifestierte sich schon ab 1933 im „Reichserbhofgesetz“, das einerseits die wirtschaftliche Gesundung des Bauernstands zum Ziel hatte, andererseits „unter Sicherung alter deutscher Erbsitte das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten“ sollte. Ebenfalls 1933 übernahm Richard Walter Darré, Leiter des NS-Parteiamts, als Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft die Führung der 40.000 landwirtschaftlichen Genossenschaften im Deutschen Reich. Darré begann zügig mit dem Aufbau des zentralistischen, hierarchisch gegliederten sogenannten „Reichsnährstands“, der zu einer Teilorganisation des „Vierjahresplans“ wurde und sowohl alle Erzeuger, Ver- und Bearbeiter landwirtschaftlicher Produkte als auch den Handel mit Agrarprodukten umfasste. Erklärtes Ziel war die Beseitigung bzw. Eingliederung aller bisher bestehenden staatlichen und privaten Einrichtungen, Verbände und sonstigen Organisationen. Demzufolge wurden auch alle landwirtschaftlichen Genossenschaften gemäß § 1 Abs. 2 des am 13. September 1933 erlassenen „Gesetzes über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes und Maßnahme zur Markt- und Preisregulierung für landwirtschaftliche Erzeugnisse“ in den „Reichsnährstand“ eingegliedert.
Anders als die landwirtschaftlichen Genossenschaften konnten die gewerblichen Genossenschaften sich der Vereinnahmung durch eine nationalsozialistische Parteiorganisation weitgehend entziehen und wurden lediglich in die allgemeine Wirtschaftsorganisation eingegliedert. An die Situation der bayerischen gewerblichen Genossenschaften während des „Dritten Reichs“ erinnert sich Karl Dietzel, Verbandsdirektor des Bayerischen Genossenschaftsverbands (Schulze-Delitzsch), im Jahr 1948: Es war „in den letzten Jahren des Dritten Reichs nicht immer leicht, die Interessen des Genossenschaftswesens entsprechend zu vertreten, daß das verflossene System bestimmt kein besonderer Freunde des Genossenschaftswesens war. Wenn man auch die gewerblichen Genossenschaften an sich unberührt ließ, so war doch festzustellen, dass insbesondere für die meisten Parteidienststellen bis hinauf zu den Gauleitungen die Genossenschaften als liberalistische Einrichtungen angesehen und mit den Konsumvereinen, die zwangsweise aufgelöst wurden, in einen Topf geworfen wurden. Es war vielleicht ein glücklicher Umstand, daß das verflossene Regime die Organisation des ländlichen Genossenschaftswesens, das vollkommen in die Organisation des ‚Reichsnährstands‘ eingebaut wurde, unbedingt zur Aufrechterhaltung und Durchführung der aufgestellten Marktordnung benötigte. Wenn letzteres nicht der Fall gewesen wäre, hätte die große Gefahr bestanden, daß das gesamte Genossenschaftswesen auf dem Weg von Verordnungen beseitigt worden wäre.“
Zunächst wurden gewerbliche Genossenschaften, die den Gewerkschaften angehörten, „gleichgeschaltet“. Bereits im Jahr 1933 wurden sie im Wesentlichen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) eingegliedert. Diese war nach der Auflösung der freien Gewerkschaften gegründet worden und übernahm deren gesamtes Vermögen, ebenso wie das der aufgelösten gewerkschaftlichen Konsumgenossenschaften. Anfang des Jahres 1934 erhielt die DAF eine rechtliche Grundlage und wurde im Oktober 1934 als Parteiorganisation der NSDAP angeschlossen. Mit mehr als 22 Mio. Mitgliedern war sie die mitgliederstärkste Parteiorganisation. Führer der Deutschen Arbeitsfront wurde Reichsleiter Dr. Robert Ley. Organisiert war sie in 18 „Reichsbetriebsgemeinschaften“ und 33 „Gauverwaltungen“. Ihr unterstanden die restlichen Konsumgenossenschaften (Verbrauchergenossenschaften), die 1941 aufgelöst und in das Gemeinschaftswerk der DAF eingegliedert wurden.
Stabile Entwicklung
Im Jahr vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erzielte die ELBIM mit 3,5 Mio. Reichsmark (fast ohne jedes Mehlgeschäft) den bisher höchsten Umsatz und war nach eigener Aussage eine der bestgeführten Bäckergenossenschaften Bayerns. Zur Umsatzsteigerung ab 1933 hatte auch das von der Münchner Bäcker-Innung übernommene Hefegeschäft beigetragen.
Im Geschäftsbericht des Jahres 1935 betonte Vorstand Carl Linder, wie um die Bedeutung der ELBIM zu unterstreichen und sich gegen nationalsozialistische Ablehnung der gewerblichen Genossenschaften zu wehren, dass „unsere deutschen Einkaufsgenossenschaften […] kaufmännisch gut [geleitete], mit den besten Betriebseinrichtungen versehene Großhandelsgeschäfte [seien]. Das möchten wir hier an dieser Stelle einmal zum Ausdruck bringen. Sie leisten eine volkswirtschaftliche und sozialpolitisch bedeutsame Arbeit, indem sie die kleinen und mittleren Gewerbetreibenden bei der Schaffung und Erhaltung ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit mit allen Mitteln unterstützen und sie in die Lage versetzen, beste Ware zu verkaufen. Das sind aber oberste Ziele nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik.“
Und auch in dem Geschäftsbericht des Jahres 1938 wurde die Stabilität der Genossenschaft in schwierigen Zeiten betont: „Wir haben im vergangenen Jahr wieder manche Knappheit gerade für uns sehr notwendiger Artikel in Kauf nehmen müssen. Dank der Rationierung der Regierung, der gesunden Preispolitik und der Einsicht breitester Schichten, ist es dabei zu keiner größeren Störung in der Warenversorgung gekommen.“
Der Zweite Weltkrieg: Rationalisierung und Zerstörung
Anders als im Ersten Weltkrieg kam es schon kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 zu Lebensmittelrationierungen. Obwohl zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs bereits mehr als 80 Prozent aller Lebensmittel aus der eigenen Landwirtschaft kamen, war das Deutsche Reich vor allem bei Fetten und Futtermitteln nach wie vor auf Importe angewiesen. Daher hatten Wirtschafts- und Ernährungsämter schon in den letzten August-Tagen mit der Rationierung aller lebens- und kriegswichtigen Güter begonnen. Lebensmittelkarten und bald auch andere spezielle Bezugsscheine konstituierten den „Normalverbraucher“. Während die einfachen Sattmacher wie Brot, Kartoffeln und Hülsenfrüchte in ausreichender Menge vorhanden waren, wurden Butter, Margarine, Käse und Eier rationiert. Die ELBIM erhielt Mehl, Zucker und Fett nur noch gegen Bezugsscheine. Die Mitglieder selbst waren damit beschäftigt, die Lebensmittelabschnitte der Kunden zu sortieren und an die zuständigen Dienststellen weiterzuleiten. Bis Weihnachten 1939 gab es noch Vorräte, in den folgenden fast vier Kriegsjahren herrschten Mangel und Rationierung.
„Pulverkuchen“
(„Königskuchen“)
1. Mehl, Zucker und Backpulver in einer Schüssel miteinander vermischen.
2. Den Eiaustauschstoff sowie das Magermilchpulver mit etwas Wasser anrühren und zusammen mit dem Ei und dem Schmand in die Schüssel hinzugeben.
3. Den Teig in eine Gugelhupfform füllen.
4. Den Ofen auf 190 Grad vorheizen und den Kuchen für 10 Minuten backen. Dann bei 175 Grad für weitere 65 Minuten backen.
5. Den Kuchen 15 Minuten abkühlen lassen und anschließend aus der Form stürzen.
Wie in allen anderen Wirtschaftszweigen mussten auch im Bäckerhandwerk Frauen die Plätze ihrer einberufenen Männer einnehmen und ihre Familienbetriebe oftmals allein betreiben.
Mit fortschreitendem Kriegsverlauf und zunehmenden Zerstörungen der Infrastruktur litten die ELBIM und ihre Mitglieder neben fehlenden bzw. rationierten Rohstoffen auch unter dem Mangel an Treibstoff für den Transport der Waren sowie Brennstoffen, sodass oftmals die Öfen der Bäcker kalt blieben. Mit Fahrzeugen aller Art kamen die Bäcker zur ELBIM in die Maistraße, um ihre tägliche Mehlzuteilung abzuholen. Die ELBIM hatte auch „schweres Leid und bittere Verluste“ zu verkraften. So fielen der Vorstand Christoph Röschlein sowie der Aufsichtsratsvorsitzende Matthäus Hofmann.
Ende des Zweiten Weltkriegs
Der 8. Mai 1945 markierte zwar keine „Stunde Null“, dennoch aber eine Zäsur, das Ende grausamster Verbrechen sowie eines unvorstellbaren Kulturbruchs. Ganz Europa war geprägt von zerstörten Städten und Infrastruktur, Elend, Hunger und Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen.