Krisen- und Kriegszeiten
2.

Das Ende der Demokratie

Die erste deutsche Demokratie scheiterte, die Nationalsozialisten ergriffen die Macht und der Zweite Weltkrieg stürzte die Welt in eine unvorstellbare Katastrophe. Die demokratisch aufgebauten deutschen Genossenschaften wurden „gleichgeschaltet“, Lebensmittel wurden wieder rationiert und die ELBIM stand ihren Mitgliedern, auch unter kriegsbedingten Einschränkungen, weiterhin zur Seite.

Aufstieg der Nationalsozialisten

Der politische Aufstieg Adolf Hitlers begann bereits 1919 in München, wo sich der österreichische Gefreite der zu diesem Zeitpunkt eher unbedeutenden Deutschen Arbeiterpartei (DAP) anschloss. Nach der Umwandlung zur Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) im Jahr 1921 fand diese, auch aufgrund Hitlers rhetorischem Talent, zunehmend Beachtung.

Aufwind erhielt die nationalsozialistische Bewegung infolge des „Ruhrkampfs“, der in weiten Kreisen des Deutschen Reichs den Wunsch nach einer gewaltsamen Antwort auf die als Demütigung empfundene Besetzung aufkommen ließ.

Die Aufgabe des passiven Widerstands durch die Reichsregierung ab Ende 1923 wollten die bayerischen Nationalsozialisten nicht hinnehmen und starteten am 9. November 1923, nach dem Vorbild Mussolinis, einen „Marsch auf Berlin“. Der als „Hitler-Putsch“ in die Geschichte eingegangene Versuch, die Reichsregierung zu stürzen und neu zu besetzen, scheiterte jedoch kläglich und wurde nach gerade einmal drei Kilometern von der Bayerischen Landespolizei gestoppt.
Die NSDAP sowie ihre Parteiorgane wurden in der Folge verboten, Hitler und seine Mitverschwörer vor Gericht gestellt. Dennoch galt Adolf Hitler einigen nun als Held, der etwas gewagt hatte. Den Prozess gegen ihn, Erich Ludendorff und acht weitere Putschisten nutze er geschickt als Agitationsbühne. Seine überschaubare Strafe von fünf Jahren Festungshaft musste er jedoch nicht vollständig verbüßen. Bereits im Dezember 1925 konnte er die Festung Landsberg wieder verlassen und auch eine Ausweisung aus dem Deutschen Reich drohte dem Österreicher nicht. Das Verbot der NSDAP wurde nur kurze Zeit später, im Februar 1925, aufgehoben, sodass Hitler am 26. Februar 1925 die erste große öffentliche Massenveranstaltung der NSDAP einberufen konnte. In den folgenden Jahren gewann er, durch geschickte Propa­ganda, mithilfe vermögender Unterstützer und begleitet von gewalttätigen Ausschreitungen seiner Sturm­abteilung (SA) immer mehr Anhänger.
Bayerische Ortsgruppen der NSDAP marschieren mit einer improvisierten Hakenkreuz-Fahne beim ersten Parteitag der NSDAP durch München, 1923
Adolf Hitler mit seinen Leibwächtern auf dem sogenannten „Deutschen Tag“ in Hof am 16. September 1923. Im Auto ganz hinten: Walter Buch, späterer oberster Parteirichter und Schwiegervater von Martin Bormann (l.) sowie Christian Weber, enger Vertrauter und erster Leibwächter Hitlers
Ruhrkampf-Feier zur Aufhebung der französischen Ruhrbesetzung in Duisburg, 1925. Nach dem Abzug der letzten französischen Soldaten feierte eine große Volksmenge mit dem Hissen von Fahnen vor dem Theater die Befreiung Duisburgs von den Franzosen.
Hitler in Haft in der Festung Landsberg am Lech, 1924 (v. l.: Adolf Hitler, Emil Maurice, Oberstleutnant Hermann Kriebel, Rudolf Heß und Friedrich Weber)
Ein Spekulant verkauft sein Auto nach Verlust beim Börsenkrach, New York 1929
Nachdem bei dem Bankenkrach im Juli alle Banken geschlossen wurden, drängen sich nach der Wiedereröffnung Sparer vor einer Sparkasse in Berlin, 1931

Die zweite existenzielle Krise der Weimarer Republik: Die Weltwirtschaftskrise

Wie durch ein Wunder hatte sich die Weimarer Republik von der Inflation 1923 erholt. Doch die Folgeerscheinungen des Währungszusammenbruchs holten die junge Republik bald wieder ein. So hatte es das Bankwesen versäumt, in der Zeit des Aufschwungs nach der Inflation das hereinströmende Geld zur Stärkung der Kapitalgrundlage zu verwenden. Das Geld der Anleger wurde vielmehr in risikoreiche Industrie- und Handelsunternehmen investiert. Während vor dem Krieg das Verhältnis von Eigenkapital zu Einlagen etwa 1 : 3 oder 4 betrug, verschlechterte sich dieses Verhältnis vor der Weltwirtschaftskrise bis hin zu 1 : 20. Somit genügten kleine Verluste, um das gesamte Eigenkapital einer Bank aufzulösen. Ein weiteres Risiko ergab sich aus der Tatsache, dass ein Großteil der von deutschen Banken an die Industrie ausgereichten Kredite für langfristige Investitionen zur Verfügung gestellt wurde, jedoch aus kurzfristigen ausländischen Krediten stammte und somit jederzeit abgerufen werden konnte.

Bereits seit 1928 hatten sich ausländische Kreditgeber zurückhaltend gezeigt, nachdem die amerikanische Notenbank die Zinsen im Zuge des dortigen Börsen-Booms angehoben hatte. Im Oktober 1929 läutete dann der als „Schwarzer Freitag“ in die Geschichte eingegangene Zusammenbruch der New Yorker Börse das Ende einer Zeitspanne der politischen Stabilität und wirtschaftlichen Prosperität ein. Er führte zu einer Weltwirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes.
Während das Deutsche Reich zunächst relativ unberührt von den wirtschaftlichen Verwerfungen in den USA blieb, führten zwei Ereignisse zu einem umfangreichen Abzug ausländischer Kredite und in der Folge zum Zusammenbruch des deutschen Bankensystems: der Sieg der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1930, der ausländische Kreditgeber verschreckte, sowie der Zusammenbruch der Österreichischen Creditanstalt, einer der bedeutendsten Banken Mitteleuropas, im Mai 1931. Zunächst versuchten die Alliierten, allen voran die Amerikaner, eine hereinbrechende Katastrophe, die auch für das gesamte Ausland verheerende Folgen hätte haben können, durch zwei Maßnahmen abzuwenden. Zum einen wurden die Reparationszahlungen vorläufig gestoppt, zum anderen gewährten sie der Reichsbank einen direkten Kredit. Mitte Juli 1931 musste dann jedoch eine der vier deutschen Großbanken, die Danat-Bank, aufgrund der Finanzierung allzu riskanter Industrieprojekte ihre Zahlungen einstellen. In der direkten Folge kam es zu einem allgemeinen Schalterschluss der Banken und sogenannten „Bankfeiertagen“.
Wiedereröffnung der Berliner Börse, nachdem sie im Juli 1931, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Danat-Bank, geschlossen worden war, 1932
Verteilung von Brot an Kinder aus Arbeitslosenfamilien während der Weltwirtschaftskrise, Berlin 1931
Zum Festakt anlässlich der Reichstagseröffnung am 21. März 1933 vor der Potsdamer Garnisonkirche verneigt sich Reichskanzler Adolf Hitler vor dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und gibt ihm die Hand.

Folgenschwere Krisenbewältigung

Um das Vertrauen der Bevölkerung zum zweiten Mal nach der Hyperinflation wiederzugewinnen, wurde eine erhebliche Anzahl der Privatbanken verstaatlicht. Hinzu kam eine Krise des deutschen Außenhandels durch den Wegfall der Exporte infolge der Weltwirtschaftskrise. Die Industrieproduktion sank um 43 Prozent, die Investitionstätigkeit lag beinahe völlig darnieder.

Der Versuch des deutschen Reichskanzlers Heinrich Brüning, durch eine rigide Austeritäts- und Deflationspolitik die Ausfuhren möglichst stabil zu halten, scheiterte. Denn während sinkende Preise für die Konsumenten vorteilhaft waren, führten die von 1930 bis 1932 durch fünf „Notverordnungen zum Schutz von Wirtschaft und Finanzen“ vorgenommenen Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen sowie die Herabsetzung der Beamtengehälter und Löhne zu einem Nachlassen der Konjunktur, was eine rasante Abwärtsspirale in Gang setzte. Massenentlassungen hatten einen dramatischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen zur Folge. Diese stiegen von knapp 2,9 Mio. im Jahr 1929 auf 3,2 Mio. im Jahr 1930, 4,9 Mio. im Jahr 1931 und gipfelten in 6 Mio. zu Beginn des Jahres 1932. Das erst im Aufbau befindliche soziale Sicherungssystem war dieser Entwicklung nicht gewachsen. Obdachlosigkeit, Hungermärsche, Volksküchen, vor allem aber Wut und Enttäuschung raubten der Bevölkerungen den Glauben in die Demokratie und schufen den Nährboden für Extremisten mit vermeintlich eindeutigen Schuldigen und einfachen Lösungen.
Zudem untergrub das „System Brüning“ des Reichskanzlers Heinrich Brüning mit seinen allein auf den Reichspräsidenten gestützten und parlamentarisch nicht legitimierten Notverordnungen die Demokratie und bereitete somit auch den Boden für das von den Nationalsozialisten zur Durchsetzung ihrer Alleinherrschaftsansprüche erlassene folgenschwere Ermächtigungsgesetz.

Der gescheiterte Putschversuch von 1923 hatte Hitler davon überzeugt, seine Ziele auf legalem Weg durchsetzen zu wollen. Dies gelang ihm in Zeiten der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen, und bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 wurde die NSDAP zur stärksten Partei im Deutschen Reich. Trotz eines schlechteren Wahlergebnisses bei den Reichstagswahlen im November 1932 ernannte der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg den „böhmischen Gefreiten“ Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. Nach den halbfreien Reichstagswahlen vom 5. März 1933 und dem am 23. März 1933 verabschiedeten „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ („Ermächtigungsgesetz“) endete, wenn auch die Verfassung offiziell nie außer Kraft gesetzt wurde, faktisch die erste Demokratie auf deutschem Boden.
Wahlplakate der Nationalsozialisten zur Reichspräsidentenwahl. Das linke appelliert an die Mütter: „Frauen! Wählt Adolf Hitler! Denkt an Eure Kinder! Sie müssen frei werden! Wählt Hitler!“, das rechte fordert: „Wir wollen Arbeit und Brot! Wählt Hitler!“

Linke Seite: Wahlplakat der NSDAP, 1932
Wahlplakate der Nationalsozialisten, 1932

Kommunistische Propaganda für Reichspräsidentenwahl 1932

Auf dem Berliner Bülowplatz vor einem Wahllokal wirbt die KPD mit Kindern für ihren Kandidaten Ernst Thälmann. Links im Bild stehen zwei Wahlkämpfer für Reichspräsident Paul von Hindenburg.
Werbeaufnahmen einer Augsburger Bäckerei, 1931 (Mitglied der EGDEBIA)

Neue Herausforderungen für die ELBIM

rotz der wirtschaftlichen Erholung und der ersten erfolgreichen Geschäftsjahre sahen sich die Mitglieder der ELBIM bald vor neue Herausforderungen gestellt. Der allgemeine Drang zur Rationalisierung und zum Konzentrationsprozess sowie die sich dadurch ergebene Konkurrenz zwangen kleinere Betriebe, sich im verschärften Wettbewerb gegen Großkonzerne zu behaupten.

Die ELBIM stellte sich diesem Konkurrenz- und Preiskampf durch eine erste Erweiterung ihres Leistungsangebots. Neben dem Großeinkauf und Vertrieb von Mehl, Kohle, Backzutaten sowie weiteren Rohstoffen übernahm sie zudem die Beratung ihrer Mitglieder. Dies war der erste Schritt zu einer „umfassenden ideellen und materiellen Betreuung“, der sie auch heute noch nachgeht: einer durch systematische Information, den Wissensaustausch und eine individuelle, auf die tatsächlichen Bedürfnisse und Herausforderungen des einzelnen Mitglieds ausgerichteten Beratung.

In diesen Jahren der politischen und wirtschaftlichen Umbrüche wurden einige für das Bäckerhandwerk bedeutsame Gesetze bzw. Notverordnungen verabschiedet. Am 17. Juli 1930 wurde vom Deutschen Reichstag das mit einigen Änderungen bis 1981 bestehende „Brotgesetz“ beschlossen. In diesem wurde für „Mischbrot“ ein hoher und exakt festgeschriebener Roggenmehlanteil vorgeschrieben. Nur wenige Tage später wurde auch das Brotgewicht auf 250 Gramm genormt. 
In einer Notverordnung wurde am 8. Dezember 1931 „zum Schutz gegen Überteuerung von Preisen für lebenswichtige Gegenstände des täglichen Bedarfs und lebenswichtige Leistungen“ mit Carl Friedrich Goerdeler, einem späteren Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, ein Reichskommissar für Preisüberwachung bestellt. Benannt nach ihm wurde die sogenannte „Goerdeler-Spanne“ ausgehandelt. Diese verbindliche Kalkulationsnorm betrug 14 Pfennig und bezeichnet die Differenz „zwischen dem handelsüblichen Preis für ¾ kg der zum Brot verwendeten Mehlerzeugnisse einerseits und dem Verkaufspreis im Laden für 1 kg Brot andererseits“.

Ohne große Feierlichkeiten beging die ELBIM im Januar 1933 ihr 10-jähriges Bestehen. Sie konnte auf erfolgreiche erste Geschäftsjahre zurückblicken: Zwar war der Umsatz nach einem kontinuierlichen Anstieg von 3,2 Mio. Reichsmark im Jahr 1925 auf 4 Mio. Reichsmark im Jahr 1929 wegen der Einschränkung des Geschäfts mit rheinischem Mehl im Zuge der Wirtschaftskrise bis 1933 verhältnismäßig stark auf 2,4 Mio. Reichsmark gesunken, das Eigenkapital stieg jedoch gleichzeitig von 178.000 auf 439.000 Reichsmark. Die Rückvergütung hingegen entwickelte sich schwankend von 45.000 Reichsmark über 70.000 Reichsmark im Jahr 1930 und wiederum 43.900 Reichsmark im Jahr der „national­sozialistischen Machtergreifung“.

Genossenschaften im nationalsozialismus

SA-Männer besetzen den Zeitschriftenverlag der Gewerkschaften in Berlin, 1933
Die Genossenschaftsidee im Gegensatz zum Nationalsozialistischen Führerprinzip
Bereits kurz nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 nahm der „Völkische Beobachter“, das Sprachrohr der Nationalsozialisten, die Prinzipien der demokratischen Kontrolle, Autonomie, freiwilligen und offenen Mitgliedschaft des Genossenschaftswesens ins Visier und erklärte es für „historisch überholt“. Nicht nur widersprach der Genossenschaftsgedanke dem Führerprinzip, das Adolf Hitler bereits 1924 in „Mein Kampf“ als obersten Grundsatz für Wirtschaft, Politik, Staat und Gesellschaft erklärt hatte. Auch standen die Produktions- und Verbrauchsgenossenschaften (Konsumgenossenschaften) unter dem Generalverdacht, sozialdemokratisch geprägt, ja gar unterwandert zu sein. Obwohl die Nationalsozialisten im März 1933 davon ausgingen, dass „die heutige Idee des Genossenschaftswesens [...] mit der Zeit des sterbenden Kapitalismus selber ihr Ende finden“ würde, scheuten sie jedoch eine generelle Auflösung der Genossenschaftsorganisation, da sowohl deren Bedeutung in der deutschen Gesellschaft als auch ihre Marktmacht zu groß war.
"Gleichschaltung": Genossenschaften als Teil der NS-Wirtschaftspolitik
Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik zielte auf weitgehende Autarkie, das heißt, das Deutsche Reich sollte so weit wie möglich unabhängig vom Außenhandel werden. Dahinter stand der Gedanke, dass die Wirtschaft die Selbstversorgung gewährleisten sollte – für einen Krieg im Osten, um Lebensraum für das deutsche Volk zu gewinnen. Die militärisch-ideologische Zielsetzung erforderte eine Konzentration auf die Rüstungsindustrie. Die notwendige Produktionssteigerung war nicht mit einer sozialistischen Planwirtschaft zu erreichen, sondern nur mit einem freien Unternehmertum unter Lenkung und Beeinflussung des Staats, also einer Art Staatskapitalismus.
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Die Landwirtschaft, vor allem die landwirtschaftliche Produktion, wurde einer stärkeren Kontrolle unterworfen, sollte sie doch in einem künftigen Krieg die Versorgung der Bevölkerung sichern. Gleichzeitig stand die Agrarpolitik im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Ideologie, denn das gesunde Bauerntum galt als wesentlich für den Fortbestand des deutschen Volks und Grundlage für die Eroberungszüge nach Osten. Die ideologische Überhöhung des Bauerntums manifestierte sich schon ab 1933 im „Reichserbhofgesetz“, das einerseits die wirtschaftliche Gesundung des Bauernstands zum Ziel hatte, andererseits „unter Sicherung alter deutscher Erbsitte das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten“ sollte. Ebenfalls 1933 übernahm Richard Walter Darré, Leiter des NS-Parteiamts, als Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft die Führung der 40.000 landwirtschaftlichen Genossenschaften im Deutschen Reich. Darré begann zügig mit dem Aufbau des zentralistischen, hierarchisch gegliederten sogenannten „Reichsnährstands“, der zu einer Teilorganisation des „Vierjahresplans“ wurde und sowohl alle Erzeuger, Ver- und Bearbeiter landwirtschaftlicher Produkte als auch den Handel mit Agrarprodukten umfasste. Erklärtes Ziel war die Beseitigung bzw. Eingliederung aller bisher bestehenden staatlichen und privaten Einrichtungen, Verbände und sonstigen Organisationen. Demzufolge wurden auch alle landwirtschaftlichen Genossenschaften gemäß § 1 Abs. 2 des am 13. September 1933 erlassenen „Gesetzes über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes und Maßnahme zur Markt- und Preisregulierung für landwirtschaftliche Erzeugnisse“ in den „Reichsnährstand“ eingegliedert.

Anders als die landwirtschaftlichen Genossenschaften konnten die gewerblichen Genossenschaften sich der Vereinnahmung durch eine nationalsozialistische Parteiorganisation weitgehend entziehen und wurden lediglich in die allgemeine Wirtschaftsorganisation eingegliedert. An die Situation der bayerischen gewerblichen Genossenschaften während des „Dritten Reichs“ erinnert sich Karl Dietzel, Verbandsdirektor des Bayerischen Genossenschaftsverbands (Schulze-Delitzsch), im Jahr 1948: Es war „in den letzten Jahren des Dritten Reichs nicht immer leicht, die Interessen des Genossenschaftswesens entsprechend zu vertreten, daß das verflossene System bestimmt kein besonderer Freunde des Genossenschaftswesens war. Wenn man auch die gewerblichen Genossenschaften an sich unberührt ließ, so war doch festzustellen, dass insbesondere für die meisten Parteidienststellen bis hinauf zu den Gauleitungen die Genossenschaften als liberalistische Einrichtungen angesehen und mit den Konsumvereinen, die zwangsweise aufgelöst wurden, in einen Topf geworfen wurden. Es war vielleicht ein glücklicher Umstand, daß das verflossene Regime die Organisation des ländlichen Genossenschaftswesens, das vollkommen in die Organisation des ‚Reichsnährstands‘ eingebaut wurde, unbedingt zur Aufrechterhaltung und Durchführung der aufgestellten Marktordnung benötigte. Wenn letzteres nicht der Fall gewesen wäre, hätte die große Gefahr bestanden, daß das gesamte Genossenschaftswesen auf dem Weg von Verordnungen beseitigt worden wäre.“

Zunächst wurden gewerbliche Genossenschaften, die den Gewerkschaften angehörten, „gleichgeschaltet“. Bereits im Jahr 1933 wurden sie im Wesentlichen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) eingegliedert. Diese war nach der Auflösung der freien Gewerkschaften gegründet worden und übernahm deren gesamtes Vermögen, ebenso wie das der aufgelösten gewerkschaftlichen Konsumgenossenschaften. Anfang des Jahres 1934 erhielt die DAF eine rechtliche Grundlage und wurde im Oktober 1934 als Parteiorganisation der NSDAP angeschlossen. Mit mehr als 22 Mio. Mitgliedern war sie die mitgliederstärkste Parteiorganisation. Führer der Deutschen Arbeitsfront wurde Reichsleiter Dr. Robert Ley. Organisiert war sie in 18 „Reichsbetriebsgemeinschaften“ und 33 „Gauverwaltungen“. Ihr unterstanden die restlichen Konsumgenossenschaften (Verbrauchergenossenschaften), die 1941 aufgelöst und in das Gemeinschaftswerk der DAF eingegliedert wurden.

Aufmarsch von Mitgliedern der neu gegründeten NS-Organisation Deutsche Arbeitsfront (DAF) in der Neuhauserstraße in München am 1. Mai 1933

Stabile Entwicklung

Im Jahr vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erzielte die ELBIM mit 3,5 Mio. Reichsmark (fast ohne jedes Mehlgeschäft) den bisher höchsten Umsatz und war nach eigener Aussage eine der bestgeführten Bäckergenossenschaften Bayerns. Zur Umsatzsteigerung ab 1933 hatte auch das von der Münchner Bäcker-Innung übernommene Hefegeschäft beigetragen.

Im Geschäftsbericht des Jahres 1935 betonte Vorstand Carl Linder, wie um die Bedeutung der ELBIM zu unterstreichen und sich gegen nationalsozialistische Ablehnung der gewerblichen Genossenschaften zu wehren, dass „unsere deutschen Einkaufsgenossenschaften […] kaufmännisch gut [geleitete], mit den besten Betriebseinrichtungen versehene Großhandelsgeschäfte [seien]. Das möchten wir hier an dieser Stelle einmal zum Ausdruck bringen. Sie leisten eine volkswirtschaftliche und sozialpolitisch bedeutsame Arbeit, indem sie die kleinen und mittleren Gewerbetreibenden bei der Schaffung und Erhaltung ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit mit allen Mitteln unterstützen und sie in die Lage versetzen, beste Ware zu verkaufen. Das sind aber oberste Ziele nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik.“

Und auch in dem Geschäftsbericht des Jahres 1938 wurde die Stabilität der Genossenschaft in schwierigen Zeiten betont: „Wir haben im vergangenen Jahr wieder manche Knappheit gerade für uns sehr notwendiger Artikel in Kauf nehmen müssen. Dank der Rationierung der Regierung, der gesunden Preispolitik und der Einsicht breitester Schichten, ist es dabei zu keiner größeren Störung in der Warenversorgung gekommen.“

Der Zweite Weltkrieg: Rationalisierung und Zerstörung

Anders als im Ersten Weltkrieg kam es schon kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 zu Lebensmittelrationierungen. Obwohl zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs bereits mehr als 80 Prozent aller Lebensmittel aus der eigenen Landwirtschaft kamen, war das Deutsche Reich vor allem bei Fetten und Futtermitteln nach wie vor auf Importe angewiesen. Daher hatten Wirtschafts- und Ernährungsämter schon in den letzten August-­Tagen mit der Rationierung aller lebens- und kriegswichtigen Güter begonnen. Lebensmittelkarten und bald auch andere spezielle Bezugsscheine konstituierten den „Normalverbraucher“. Während die einfachen Sattmacher wie Brot, Kartoffeln und Hülsenfrüchte in ausreichender Menge vorhanden waren, wurden Butter, Margarine, Käse und Eier rationiert. Die ELBIM erhielt Mehl, Zucker und Fett nur noch gegen Bezugsscheine. Die Mitglieder selbst waren damit beschäftigt, die Lebensmittelabschnitte der Kunden zu sortieren und an die zuständigen Dienststellen weiterzuleiten. Bis Weihnachten 1939 gab es noch Vorräte, in den folgenden fast vier Kriegsjahren herrschten Mangel und Rationierung. 

Markenverteiler einer NSV-Ortsgruppe erhalten am 27. August 1939, vier Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, die ersten Bezugsscheine nach der Einführung der Marken.
Rezeptbuch für die Herstellung von Feinbackwaren des Reichsinnungsverbands des Bäckerhandwerks, Berlin 1941
Reichsfettkarte für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren, 1939
Bezugsschein, Mahlkarte, Berechtigung Korn mahlen zu lassen, 1939
Rezept „Amerikaner“ aus dem Rezeptbuch des Reichs­innungsverbands, 1941

„Pulverkuchen“
(„Königskuchen“)

originalrezept von 1941

1. Mehl, Zucker und Backpulver in einer Schüssel miteinander vermischen.

2. Den Eiaustauschstoff sowie das Magermilchpulver mit etwas Wasser anrühren und zusammen mit dem Ei und dem Schmand in die Schüssel hinzugeben.

3. Den Teig in eine Gugelhupfform füllen.

4. Den Ofen auf 190 Grad vorheizen und den Kuchen für 10 Minuten backen. Dann bei 175 Grad für weitere 65 Minuten backen.

5. Den Kuchen 15 Minuten abkühlen lassen und anschließend aus der Form stürzen.

zutaten
225g
Mehl
100g
Zucker
50g
Fett
1 Ei
10g
Eiaustauschstoff
50g
Magermilchpulver
5g
Backpulver
5g
Schmand
Anders als die NS-Ideologie in den Anfangsjahren propagiert hatte, wandelte sich das Frauen- und Mütterbild, wonach „die Welt der Frau die Familie, ihr Mann, ihre Kinder und ihr Heim“ sei, durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs grundlegend. Zwar wurde die Rolle der Mutter weiterhin ideologisch überhöht, da sie dem Führer Soldaten für den Kampf des Deutschen Reichs gegen seine vermeintlichen Feinde schenken sollte, die Realität holte die Ideologie jedoch bald ein. Aus Mangel an männlichen Arbeitskräften mussten Frauen an der „Heimatfront“ ihren Dienst tun und Männer in Betrieben und der Industrie ersetzen. Der Anteil weiblicher Arbeitskräfte war jedoch schon vor Kriegsbeginn von 11,6 Mio. im Jahr 1933 auf 14,6 Mio. im Jahr 1939 gestiegen, womit 52 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter einer Arbeit nachgingen. Zu Kriegsbeginn waren demnach knapp 38 Prozent der einheimischen Arbeitskräfte im Deutschen Reich Frauen. Ihr Anteil stieg während des Kriegs bis Mitte 1944 auf ganze 51 Prozent.

Wie in allen anderen Wirtschaftszweigen mussten auch im Bäckerhandwerk Frauen die Plätze ihrer einberufenen Männer einnehmen und ihre Familienbetriebe oftmals allein betreiben.

Mit fortschreitendem Kriegsverlauf und zunehmenden Zerstörungen der Infrastruktur litten die ELBIM und ihre Mitglieder neben fehlenden bzw. rationierten Rohstoffen auch unter dem Mangel an Treibstoff für den Transport der Waren sowie Brennstoffen, sodass oftmals die Öfen der Bäcker kalt blieben. Mit Fahrzeugen aller Art kamen die Bäcker zur ELBIM in die Maistraße, um ihre tägliche Mehlzuteilung abzuholen. Die ELBIM hatte auch „schweres Leid und bittere Verluste“ zu verkraften. So fielen der Vorstand Christoph Röschlein sowie der Aufsichtsratsvorsitzende Matthäus Hofmann.
  • Fertigung von Granaten in einem Rüstungsbetrieb in Deutschland, 1940
  • Zerstörung der Bäckerei Hieber in München nach Kriegsende, 1945
  • Amerikanische Soldaten mit einem Münchner Ortsschild, 1945
  • Flucht vor Luftangriffen in München, 1945
Zerstörte Münchner Innenstadt, 1945

Ende des Zweiten Weltkriegs

Ab 1940 trafen die Luftangriffe der Alliierten auch Bayern. Ab 1943 wurden die Bewohner der bayerischen Großstädte wie Augsburg, München und Nürnberg teils evakuiert und aufs Land verbracht. Doch auch das ländliche Umland Münchens war betroffen. In München wurden im November 1944 das Geschäftsgebäude der ELBIM sowie das Innungshaus durch Brandbomben weitestgehend zerstört. Die Geschäftstätigkeit konnte nur noch in verschiedenen Ausweichlagern, unter anderem in der Herzog-Heinrich-Straße 38, ausgeübt werden. Das Lager wurde behelfsmäßig auf verschiedene Gebäude verteilt, zum Teil bis in das Münchner Umland.
Ende März 1945 erreichten erstmals Einheiten der US-Armee bei Aschaffenburg rechtsrheinischen bayerischen Boden. Im Laufe des Aprils fielen immer mehr bayerische Städte in amerikanische Hand. Am 30. April 1945 wurde München offiziell an die amerikanischen Truppen übergeben. Begleitet wurden sie von Militärregierungseinheiten, die mithilfe unbelasteter deutscher Hilfskräfte die provisorische Verwaltung des Landes übernahmen.

Der 8. Mai 1945 markierte zwar keine „Stunde Null“, dennoch aber eine Zäsur, das Ende grausamster Verbrechen sowie eines unvorstellbaren Kulturbruchs. Ganz Europa war geprägt von zerstörten Städten und Infrastruktur, Elend, Hunger und Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen.

Wirtschaftliche Entwicklung der ELBIM von 1930 bis 1945

Wirtschaftliche Entwicklung der ELBIM von 1930 bis 1945

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